[DE] ZDF Zoom – Nikotin im Beutel

Am 20.04.2022 hat ZDF Zoom einen Beitrag zu Nikotinbeutel gesendet. Die Inhaltsangabe gibt an, dass die Tabakindustrie mit den Nikotinbeutel eine neue Masche fährt um die Kundschaft zu halten. Begleitet wird die Ankündigung der Sendung mit einer entsprechenden Pressemitteilung,„Nikotin im Beutel“: ZDFzoom-Doku über „Die neue Masche der Tabak-Industrie“1.

Die Macherin dieser Dokumentation, Bärbel Merseburger-Sill, hat auch schon die Arte Doku „Nikotin – Droge mit Zukunft?2 erstellt. Dies ist ein starker Hinweis in welche Richtung auch die aktuelle Reportage bzgl. Nikotinbeutel geht.

Grundsätzlich wird in der ZDF Zoom Reportage 3 die Macht der Tabakindustrie auf die Politik angeprangert. Darüber kann man sicherlich streiten. Auf der einen Seite ist es natürlich eine Industrie, welche Geld verdienen will, auf der anderen Seite ist auch dort das Prinzip der Schadensminimierung angekommen. Wenn diese Industrie nun schadensminimierende Produkte anbietet, wie Tabakerhitzer oder den hier thematisierten Nikotinbeutel, dann sollte doch ein differenzierter Blick darauf geworfen werden. Aber dieser Beitrag ist genauso Tendenziös wie die Arte Doku.

In dem Beitrag wird u.a. Prof. Dr. Reiner Hanewinkel, IFT-Nord, interviewt. Eigentlich kein Wunder, so ist er doch als Hardliner gegen die E-Zigarette bekannt und sitzt unter anderem im „wissenschaftlichen Kuratorium“ der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS) 4. Er gibt an, dass Nikotinbeutel mit großer Sicherheit genauso ineffektiv wie die E-Zigaretten seien, denn schließlich würden ca. 90% der Konsumenten von E-Dampfprodukten weiterhin parallel auch rauchen.
Komischerweise zeigen zig Studien genau das Gegenteil.

Wäre der Beitrag wirklich Objektiv, hätte Frau Merseburger-Sill auch den Suchtforscher Prof. Dr. Heino Stöver interviewt, wie er diese Nikotinbeutel bewertet. Aus Sicht der Tabakschadensminimierung sind auch Nikotinbeutel ein weiteres Werkzeug für Raucher mit dem Rauchen aufzuhören.

Dr. Maria Schimek, Vivantes Klinik Köln, sieht in den Nikotinbeutel eine ähnliche gesundheitliche Gefahr wie das Rauchen von herkömmlichen Tabakzigaretten. Das ist Unfug, denn die in der Hauptsache gesundheitlich gefährlichen Stoffe liegen im Rauch, welcher durch die Verbrennung der Tabakzigarette entstehen und inhaliert werden.

An dieser Stelle wäre es ebenso ratsam gewesen, eine weitere Meinung einzuholen, z.B. von Gefäßchirurgen Prof. Dr. med. Martin Storck, Gefäß- und Thoraxchirurgie Karlsruhe. Auch er sieht in rauchfreien Produkten eine Chance der Schadensminimierung für Raucher 5.

Gerne erwähnen die medizinischen Interview Partner auch die Gateway Theorie, welche besagt, dass durch den Konsum von E-Dampfprodukten oder auch Nikotinbeutel, die Konsumenten automatisch zur Tabakzigarette geführt werden. Diese bis heute mehrfach widerlegte These wird gerne mantraartig wiederholt. Ebenso wie die Mär der üblen Nikotinsucht, welche ich schon in dem Artikel zur Arte Reportage kritisiert habe.

Bezüglich Regulierung sind Nikotinbeutel aktuell als Lebensmittel deklariert. In Zukunft sollen diese aber auch ausschließlich im Tabakrecht reguliert werden.
Geil ist hier, die Fragestellung der Autorin, weshalb das im Tabakrecht reguliert werden sollte, da sei doch kein Tabak drin. Das ist genau der springende Punkt: E-Dampfprodukte werden ebenfalls im TabakerzG geregelt obwohl kein Tabak drin ist! Da hat sie meines Wissens nach nicht nachgefragt, weshalb das so ist. Das ist reine politische Willkür.

Die weiteren Protagonisten, die Konsumenten, sind „schmückendes“ Beiwerk und sollen die angebliche „Gefährlichkeit“ der Nikotinbeutel unterstreichen.

Alles in allem ein sehr pölarisierender Beitrag, welcher ein weiteres Produkt der Tabakschadensminimierung und Nikotin perse schlecht macht. Insbesondere ist anzuprangern, dass der Blick nach Schweden komplett außen vor gelassen wurde. Dort ist die Akzeptanz von Snus in der Bevölkerung sehr hoch und weit verbreitet. Die Konsequenz ist, dass in Schweden die Zahl der Raucher massiv gesunken ist, da sehr viele Raucher auf dieses Produkt umgestiegen sind. Mit der Folge, dass Schweden im europäischen Vergleich die niedrigste Rate an Lungenkrebspatienten hat 6!
Weiter zeigt eine aktuelle Studie aus Norwegen, dass der Umstieg vom Rauchen auf Snus sehr wohl dabei hilft, dass Rauchen aufzugeben 7.

 

Quellen

  1. https://www.presseportal.de/pm/7840/5199552
  2. https://ch-lippmann.de/blog/dampffreiheit/2020/09/de-arte-nikotin-droge-mit-zukunft/
  3. https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzoom/zdfzoom-nikotin-im-beutel-102.html
  4. https://ch-lippmann.de/blog/dampffreiheit/2021/05/de-dhs-faktenresistent/
  5. https://ch-lippmann.de/blog/dampffreiheit/2021/10/de-4-fachtagung-tobacco-harm-reduction-diversifikation-der-rauchentwoehnungsstrategien/
  6. Brad Rodu et al., Lung cancer mortality: comparing Sweden with other countries in the European Union
    https://doi.org/10.1177/1403494809105797
  7. Marianne Lund et al., Smoking cessation aids and strategies: a population-based survey of former and current smokers in Norway
    https://bmcpublichealth.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12889-022-13032-z

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