Die Antwort der EU-Kommission auf eine Frage eines MEP in Bezug auf das Potential der Tabakschadensminimierung als möglicher Teil von „Europas Kampf gegen Krebs“ lässt sehr tief blicken.
Der dänischen MEP Peter Kofod 1 hat folgende Anfrage 2 gestellt:
Übersetzung:
Der europäische Plan zur Bekämpfung von Krebs (EBCP) zielt darauf ab, die Krebsinzidenz zu reduzieren, insbesondere Krebs im Zusammenhang mit dem Rauchen, der vermeidbar sein sollte.
Viele Raucher können oder wollen jedoch nicht ganz auf Nikotinprodukte verzichten.
Da Tabak- und Nikotinprodukte legal sind, wäre es sinnvoll, Raucher zu ermutigen, auf rauchfreien Tabak und Nikotinprodukte umzusteigen, die weniger giftige Stoffe emittieren.
In Schweden zum Beispiel scheint die Verfügbarkeit von Alternativen zu ungewöhnlich niedrigen Raucherquoten bei Männern beigetragen zu haben, die auf weniger schädliche Formen der Nikotinabhängigkeit umgestiegen sind.
In Schweden ist das tägliche Rauchen bei Männern (von 40 % im Jahr 1976 auf 15 % im Jahr 2002) stärker zurückgegangen als bei den Frauen (von 34⁰ % im Jahr 1976 auf 20 in % im Jahr 2002), wobei der Anteil männlicher Ex-Raucher erheblich ist (ca. 30 %) nachdem sie beim Aufhören Snus(1) konsumiert haben.
1. Erkennt die Kommission das Potenzial von Strategien zur Schadensminderung durch Tabakkonsum bei der Verringerung der Krebsinzidenz an?
2. Wird sie Aufschluss über die wissenschaftlichen Beweise für den Nutzen von Strategien zur Schadensminderung durch Tabak geben?
3. Wird sie Strategien zur Reduzierung des Tabakkonsums in die EBCP aufnehmen, um rauchbedingte Krebserkrankungen zu bekämpfen?
Die EU-Kommissarin Stella Kyriakides 3, welche u.a. für den „Europe’s Beating Cancer Plan“ 4 verantwortlich ist, hat die Frage wie folgt beantwortet 5:
Übersetzung:
Der europäische Plan zur Bekämpfung des Krebses setzt ehrgeizige Ziele für die künftige Tabakkontrollpolitik in der EU mit dem Ziel, eine „tabakfreie Generation“ zu schaffen, in der bis 2040 weniger als 5 % der Bevölkerung Tabak konsumieren.
Rauchlose Tabakprodukte und E-Zigaretten enthalten Tabak und/oder Nikotin, eine giftige Substanz. Sie sind Teil des Problems der Tabak- und/oder Nikotinsucht. Unbedenkliche Mengen an Tabak- und/oder Nikotinkonsum existieren nicht. Aus diesem Grund sind diese Produkte reguliert (und im Fall von oralem Tabak in der EU verboten).
Im Jahr 2008 hat der Wissenschaftliche Ausschuss „Neu auftretende und neu identifizierte Gesundheitsrisiken“ (SCENIHR) die Kommission zu rauchfreien Tabakerzeugnissen wissenschaftlich beraten.Dieser Hinweis wurde bei der Überarbeitung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse berücksichtigt, was den Gesetzgeber zu der Schlussfolgerung führte, dass diese Erzeugnisse reguliert bleiben und das allgemeine Verbot von Tabakerzeugnissen zum Einnehmen beibehalten werden sollte.
In Bezug auf E-Zigaretten hat die Kommission den Wissenschaftlichen Ausschuss „Gesundheit, Umwelt und neu auftretende Risiken“ (SCHEER) mit einer Stellungnahme zu den gesundheitlichen Auswirkungen von E-Zigaretten, einschließlich ihrer Rolle bei der Einführung des Rauchens bei Jugendlichen und der Raucherentwöhnung, beauftragt, um die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Thema zu verbessern. Diese Stellungnahme wird die Grundlage für die weiteren Überlegungen der Kommission bilden. Die SCHEER 6 fand unterstützende Evidenz für die schädlichen Folgen des Konsums von E-Zigaretten sowie schwache Evidenz für die Unterstützung der Wirksamkeit von E-Zigaretten bei der Raucherentwöhnung, während die Evidenz für die Reduzierung des Rauchens als schwach bis mäßig bewertet wird.
Die Antwort ist auch besonders dahingehend zynisch, da sich Frau Kyriakides auf Twitter in ihrem Profil 7 als Unterstützerin der Menschenrechte darstellt.
Rauchende Menschen haben ein Recht auf Schadensminimierung mittels E-Dampfprodukte und Tabakerhitzer! Dies versucht die EU-Kommission mittels der nächsten TPD3 und Überarbeitung der EU-Tabaksteuerrichtlinie auszuhebeln.
Prof. Dr. Heino Stöver kommentiert auf Twitter 8:
Die Antwort der @EU_Commission an MEP @KofodPeter’s Frage nach dem Potenzial von #HarmReduction im Kampf gegen Krebs in der EU zeigt einmal mehr einen ignoranten Umgang mit wissenschaftlichen Fakten: „Sie sind Teil des Problems“.
Weiterführende Informationen
- [EU] ETHRA: Report on the application of the TPD
Quellen
- https://www.europarl.europa.eu/meps/de/197570/PETER_KOFOD/home
- https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-9-2021-001347_EN.html
- https://ec.europa.eu/commission/commissioners/2019-2024/kyriakides_en
- https://ch-lippmann.de/blog/dampffreiheit/2021/02/eu-europes-beating-cancer-plan-plan-fuer-mehr-krebs/
- https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-9-2021-001347-ASW_EN.pdf
- https://ch-lippmann.de/blog/dampffreiheit/2021/04/eu-scheer-finaler-bericht-ignoriert-weiter-fakten-zur-e-zigarette/
- https://twitter.com/SKyriakidesEU
- https://twitter.com/HeinoStoever/status/1410605320150274059