…hängen verzweifelt Geschichten nach, die längst passé sind.
Gastbeitrag Krolli5
Warum eigentlich muss man einen so schlechten Artikel, trotz etlicher Aktualisierungen wochenlang auf dem gleichen Stand halten?
Die Welt erklärt uns gerne einfach, wie dieselbe funktioniert. So mal wieder, was die schlimme E-Zigarette alles in unseren Kindern anstellt. Süchtig machend in nie gekanntem Ausmaß!
Am 11.11.23 erschien dazu die erste Version des unsäglichen Artikels, „Wie sich das vermeintliche Ausstiegsprodukt als Einstiegsdroge erweist“ 1 (siehe nachfolgenden Screenshot).
Und anschließend wurde der Artikel noch vielfach aktualisiert – zuletzt am 21.11.2023. Alle Versionen aber sind augenscheinlich textgleich.
Warum uns nun die Welt an den Geheimwissenschaften ihres Gelehrten fortgesetzt teilhaben lassen muss, bleibt aber wohl ihr Geheimnis. Oder das desjenigen, finanzstarken Unbekannten im Hintergrund, der ein unbedingtes Interesse daran hat, solche Un-Weisheiten möglichst oft zu streuen.
Bereits im ersten Absatz setzen Hypertonie, Erstickungsanfälle und Brechdurchfall zugleich ein. Obwohl ganz Unrecht haben sie damit nicht: Zigaretten gehören nicht in die Atemwege, geschweige denn die Lunge! Auch Tabakkrümel oder gar der ganze Zigaretteninhalt nicht. Bislang inhalierte man nämlich ausschließlich deren Rauch, was sich durchaus als bekömmlicher herausstellte.
“[..] Hustenreize, Schwindelanfälle, Blässe – der Körper wehrte sich auf vielen Wegen gegen das Nervengift, das über die eingeatmete Zigarette in die Blutbahn drang.”
Schön falsch aus dem Kontext sodann wird eine Zahl von 13% textlich gleich in Verbindung gebracht mit der erschreckenden Nachricht, dass “ …E-Zigaretten mit Fruchtgeschmack machen immer mehr junge Menschen nikotinsüchtig.“ Nur stellen die 13% – vorausgesetzt, die treffen überhaupt zu – die Anzahl dar, die jemals in ihrem Leben zumindest einmal an einer E-Zigarette gezogen haben! Geschenkt. Denn die derzeit verlässlichsten Angaben zu konsumierenden Jugendlichen liefert immer noch die DEBRA Studie (BMG-Auftrag). Und die lauten für Stand 12/22: 2,5% Jugendliche der Altersklasse 14-17 Jahre seien Dampfkonsumenten.
Sowohl über den Untertitel, als auch im Text wird uns mal wieder die allgegenwärtige Einstiegsdrogenhypothese serviert. “Think of the Children™” bzw. Gateway geht auf Denise Kandel und ihren Ehemann zurück. In zahlreichen Publikationen – beginnend ab ca 1975 – wurde immer versucht, die umstrittenen Postulate zu untermauern. Egal ob Marijuhana oder Tabak, der Erstbeginn eines dieser Süchte führe (unausweichlich) in die nächste schlimmere. Zuletzt wurde das anhand einer im NEJM um 2014 veröffentlichten Studie nun als endgültig belegt angesehen. Natürlich mit Nagern. Mit Nikotin prä-exponierte Mäuse hatten im Anschluss höheren Appetit auf Kokain.
Sucht man in der neueren Literatur, so werden Wirkzusammenhänge sehr viel deutlicher 2. Kokain und Nikotin wirken unterschiedlich in ihrer Dopaminverstärkung. Kokain wirkt primär durch Erhöhung extrazellulärer Dopaminspiegel. Bei chronischem Gebrauch allerdings verkehrt sich dies zu einem Defizit. Der aber kann bei gleichzeitiger Zufuhr von Nikotin wieder ausgeglichen werden. In Kurzform: Nikotin kann so bei bestehendem chronischen Kokaingebrauch als Wirkverstärker angesehen werden. Bei Vorhandensein einer vorliegenden Kokainabhängigkeit wird ein Co-Konsum umso wahrscheinlicher. Und das Verlangen bei gleichzeitigem Konsum deutlich höher, als der jeweils isolierte. Hätten Kandel et al. ihren Versuch zusätzlich umgekehrt wiederholt, wären sie vermutlich ebenfalls zu diesem Ergebnis gekommen. Wird der Wirkverstärker – wie bei ihnen – aber zuvor verabreicht, scheint unausweichlich das nachfolgende Verlangen potenziert. Hieraus aber abzuleiten, zuvoriger Nikotinkonsum erst sei der Türöffner, das Gateway für einen nachfolgenden Konsum stärkerer Substanzen, erscheint mittlerweile anzweifelbar. Die Kausalität ist mitnichten erbracht.
Und so verhält es sich angesichts letzter Beobachtungen ebenfalls mit dem Nikotinkonsum von Einsteigern via Dampfe. Mitnichten führt der unweigerlich zum Rauchen von Zigaretten!
Schaut man aktuell über’n Teich, sinkt die Zahl rauchender Jugendlicher seit Jahren stetig. Nach einem Peak – verursacht durch das temporär hippe “Juulen” – hat sich auch die Anzahl dampfender Jugendlicher normalisiert, wenngleich sie insgesamt leicht zunimmt.
„Es gab die große Sorge, dass Vaping als eine Art ‚Einstiegsdroge‘ in den Zigarettenkonsum fungieren könnte, was all die Fortschritte, die in den vergangenen Jahrzehnten bei der Reduktion der Raucherraten gemacht wurden, zunichte gemacht hätte“, sagt Sarah Jackson von der Tobacco and Alcohol Research Group am University College London.
„Aber die Studien deuten zunehmend darauf hin, dass Vaping das Rauchen ersetzt, sprich diejenigen, die ansonsten angefangen hätten zu rauchen, auf ein weniger schädliches Produkt umleitet.“
„Die Ergebnisse aus den USA zeigten, dass die Zahl der jungen Erwachsenen, die Nikotin inhalierten (Raucher und Vaper) im vergangenen Jahrzehnt relativ stabil geblieben sei. Nur die Art des Produkts, dass sie nutzen, habe sich verändert.“ 3
Diese Kernbotschaften, zusammengenommen mit den Verlautbarungen aus dem letzten DKFZ Tabak-Newsletter um Prof. Anil Batra (Vorsitzender der AWMF S3LL), der konstatiert: “Bei dieser nicht länger zu leugnenden Evidenz wird man in der nächsten Leitlinien Revision zur Raucherentwöhnung über E-Zigarette sprechen müssen” sprechen eine völlig andere Sprache, als uns die Welt mit ihrem Gelehrten Glauben machen will.
E-Zigaretten führen nicht unmittelbar zum Rauchen! Im Gegenteil. Auch sind sie nicht ungeeignet, Raucher von ihrem Laster zu befreien! Die schaffen das!
“Auch ein anfänglicher Irrglaube scheint widerlegt. Die Hoffnungen auf E-Zigaretten waren groß, schließlich sollten sie eine häufige Ursache für Krebs- und Herzkreislauferkrankungen nach und nach aus der Mitte der Gesellschaft verdrängen. Langjährige Raucher könnten, so die Theorie, mithilfe der elektrischen Vapes den Absprung schaffen.” so die Welt im Artikel weiter.
“Viele Abhängige rauchen nun Vapes und Zigaretten.“ Dass weder Vapes noch E-Zigarette geraucht werden, hat sich in deren nunmehr 15 jährigen Existenz bis zu den ewig Gestrigen offenbar immer noch nicht herumgesprochen. Viel schlimmer aber die suggestive Unterstellung, sogut wie alle Dampfer rauchten weiterhin zusätzlich Zigaretten! Oder 75%. Auch 80%. Solche Zahlen sprudeln seit Jahren aus derselben Quelle. Wer sich zum Publizieren mit Raketenwissenschaftlern zusammen tut, sollte sich im Anschluss nicht wundern, wenn die Zahlen dieses Data-Wranglers zwar seinen Wünschen entsprechen, aber von niemandem sonst auf der Welt nachvollzogen werden können. Aber genau dafür ist der ja bekannt – bei Zahlenjonglagen stets Glanzleistung zu liefern!
Hier auch einmal genauer in aktuelle Quellen geschaut, ergibt sich die Richtigstellung dieser Behauptung zumindest in der besonders als gefährdet geltenden Altersgruppe:
“Results: Of the respondents, 13.3% had ever used cigarettes, 10.6% e-cigarettes and 27.3% both; 13.0% currently used cigarettes, 6.0% e-cigarettes and 6.4% both. 4
Mal gerade 6,4% – also ein eher verschwindend geringer Anteil an jungen Dampfern greift zusätzlich auch noch zur Zigarette. Und nicht die über den Faktor 10 viel zu hoch fabulierten 75% und mehr! Für ältere Ex-Raucher wird man den Anteil sicher nochmals reduzieren können, da die meisten heilfroh sind, endlich einen Weg vom Rauchen weg gefunden zu haben.
Weiter erfährt der geneigte Leser: “[,,,] mit jedem Vape wandern bis zu 20 Milligramm Nikotin in den Körper.” Ja bitte, was denn sonst? Etwa Valium? Methylpenidat [Ritalin]? Silendafil [Viagra]? Genau das ist Sinn und Zweck solcher Gerätschaften. Verbrennungsfrei Nikotin abzugeben. Exakt, wie die Pflaster, Sprays und Kaugummis auf Rezept vom Doktor auch.
Falsch ist die Mengenangabe obendrein dann auch noch. Gesetzlich zulässig sind als Füllung 2ml zu je max. 20mg/ml Nikotingehalt. Macht 40mg total. Aber auch wieder unrichtig, denn resorbiert werden nur etwa 35%-40% des inhalierten Nikotins aus dem Dampf.
Nun wissen wir immer leider noch nicht, worauf sich eben diese 20mg im Artikel überhaupt beziehen. Apropos 20mg – die sind vermutlich, als sie seitens der EU-Kommission zur Obergrenze erklärt wurden, wiederum ewig Gestrigem geschuldet. Wahrscheinlich hat die Literaturangabe über die tödliche Dosis von 60mg Reinnikotin dazu geführt. Doch der Wert war zu dem Zeitpunkt längst als überholt entlarvt und ist zwischen 1.000-2.000mg anzusetzen 5. Über 1½ Jahrhunderte hat sich diese Annahme aus zweifelhaften Selbstversuchen gehalten. Und ist längst in der einschlägigen Fachliteratur gestrichen und durch die richtigen Angaben ersetzt worden.
Sehr zum Leidwesen der Dampfer. Denn bereits bei Festlegung haben etliche renommierte Wissenschaftler gut begründet dagegen opponiert und sahen den Grenzwert für eine – besonders bei Umsteigern – wichtige Akzeptanz bei eher 40mg/ml und mehr. Was nützt die Alternative, wenn das Produkt wegen fehlendem Kick nach nur wenigen Tagen wieder aus der Hand gelegt wird?
Einen Durchbruch brachten da die Formulierungen mit protoniertem Nikotin. Allein oder in Mischung mit Freebase-Nikotin. Die Nikotinsalze. Ob das Nikotin an Lävulinsäure, Äpfelsäure oder Benzoesäure angelagert wird, ist eher nebensächlich. In den leicht sauren Bereich verschoben sind so deutlich höhere Nikotinabgabemengen möglich, die genau deswegen Konsumenten mit Abstand überzeugen konnten.
Was aber bitte soll daran verwerflich, „geschickt“, gar “perfide” sein? Ein Produkt so zu designen, dass – ganz entgegen seinen Vorläufern – nun eine deutlich größere Akzeptanz besteht? Juul hat so in USA die Kleinstdampfe mit Benzoesäure und total 49,5mg/ml Nikotin zum Erfolg gebracht.
Kommen wir aber nun zum Sahnehäubchen. Oder warum überhaupt die Motivation entstand, diese Replik aufzusetzen. Doch doch, schon wieder ewig Gestriges!
Juul war eigenständig und wurde von Altria für viel Geld übernommen. Zur richtlinienkonformen Marktzulassung eines Dampfproduktes bedarf es hierzulande einer Anmeldung beim BMEL. Und danach einer ½ jährigen Wartezeit bis Markteinführung. Bei der Anstellung ist die Übereinstimmung mit den Richtlinien nachzuweisen. Die unter anderem den Nikotingehalt innerhalb der EU in Liquids oder Fertigprodukten auf 20mg/ml limitiert. Das wurde selbstredend von Altria zweifelsfrei erbracht. Nachzulesen u.a. bei Peter Hajek – die EU-Juul 6.
Altria hat in der EU nie eine Juul mit mehr als 20mg vertrieben. Und ist letztlich genau daran gescheitert. An zu wenig Nikotin!
“It may thus have more limited potential to help smokers quit.“
Wie aber um alles in der Welt kommt diese nun zu solch einer Behauptung?
“E-Zigarettenhersteller Juul “[…] zog sich 2020 aus Deutschland zurück. Er sah sich mit zahlreichen Klagen konfrontiert, weil seine hohen Nikotindosierungen nicht den EU-Richtlinien entsprachen”
Das ist mehr als grob fahrlässig falsch, wahrheitswidrig und durchaus als ruf- und geschäftsschädigend mit Sicherheit justitiabel! Und in der revisionierten Fassung immer noch zu lesen!
Wenn man schon unfähig ist, sauber zu recherchieren, sollte man taktvollerweise auch bitte vom Veröffentlichen Abstand nehmen. Und auch nicht weiter in ewig Gestrigem herumstochern, denn die JUUL ist in Deutschland lange, nämlich seit Ende 2020 Geschichte.
Zum Kehraus noch: Es braucht weder eine Regulierung noch gar Verbote von Aromen. Zu was soll das nütze sein? Die ohnehin schon in der Verbraucher-Rezeption durch die Journaille systematisch kaputt geschriebene E-Zigarette noch weiter zu demontieren? Faktum ist: Erwachsene Raucher, die umsteigen wollen, aber auch die dieses Ritual beibehaltende Dampfer wollen meist alles andere an Geschmack, als ausgerechnet Tabak.
Das Gesetz zum Schutz der Jugend regelt Abgabe, bzw. dessen Verbot an Minderjährige eineindeutig. Wenn die nun trotzdem damit versorgt werden, sind nicht Aromen daran schuld, sondern die uneinsichtigen Händler, die meist das schnelle Geschäft im Sinn haben. Sowie die unzureichende Überprüfung der Umsetzung des Jugendschutzes durch die Ordnungsbehörden.
Quellen
- [Archivlink] Welt: https://web.archive.org/web/20231124100123/https://www.welt.de/iconist/trends/article248472194/E-Zigarette-Wie-sich-das-vermeintliche-Ausstiegsprodukt-als-Einstiegsdroge-erweist.html
- Monica H. Dawes, Paige M. Estave, Steven E. Albertson, Conner W. Wallace, Katherine M. Holleran, Sara R. Jones: “Nicotine modifies cocaine responding in a concurrent self-administration model”;
Drug and Alcohol Dependence, Volume 251, 2023, 110960, DOI: 10.1016/j.drugalcdep.2023.110960. (nur Abstract)
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0376871623011985 - Dtsch Arztebl 2023; “Immer mehr junge Leute steigen mit E-Zigarette in Nikotinkonsum ein” News, 21. November 2023
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/147377/Immer-mehr-junge-Leute-steigen-mit-E-Zigarette-in-Nikotinkonsum-ein - H. Ollila , Y. Tarasenko, A. Ciobanu , E. Lebedeva, K. Raitasalo: “Exclusive and dual use of electronic cigarettes among European youth in 32 countries with different regulatory landscapes”;
Tob Control. 2023 Apr 25 :tc-2022-057749. DOI: 10.1136/tc-2022-057749.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37185883/ - Mayer: „How much nicotine kills a human? Tracing back the generally accepted lethal dose to dubious self-experiments in the nineteenth century“
Arch Toxicol. 2014; 88(1): 5–7. doi: 10.1007/s00204-013-1127-0
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3880486/ - A. Phillips-Waller, D. Przulj, K. Myers Smith, F. Pesola, P. Hajek: „Nicotine delivery and user reactions to Juul EU (20 mg/ml) compared with Juul US (59 mg/ml), cigarettes and other e-cigarette products“; Psychopharmacology (Berl). 2021 Mar; 238(3):825-831. DOI: 10.1007/s00213-020-05734-2. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33270145/