Was wäre, wenn Nikotin statt einer tödlichen „süchtig machenden“ Chemikalie ein revolutionäres Therapeutikum wäre, um etliche beeinträchtigende Krankheiten behandeln zu können und möglicherweise Milliarden von Leben zu retten?
von Michelle Minton 15. Dez. 2020, Twitter: @michelleminton
veröffentlicht bei: Competitive Enterprise Institute, 2020 1
Übersetzung mit freundlicher Genehmigung: V. Becker
Ein neuer Dokumentarfilm, „You Don’t Know Nicotine“ 2 stellt die These auf, dass alles, was wir über Nikotin zu wissen glaubten, falsch sein könnte. Noch provokanter ist die Behauptung, dass unsere Unkenntnis darüber das beabsichtigte Ergebnis einer Täuschungskampagne ist, die von Eigennutz, Gier und mit Schwarzgeldern befeuert wird.
Man mag kaum glauben, dass ein Dokumentarfilm, der sich auf eine einzige chemische Verbindung, nämlich Nikotin, konzentriert, besondere Anziehungskraft auf ein breites Publikum ausüben würde. Aber der Film handelt von viel mehr. Indem er Wissenschaft zu Nikotin und damit verknüpftes polititisches Handeln als Ausgangspunkt nutzt, wirft You Don’t Know Nicotine Fragen über die Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Gesundheitsbehörden unserer Nation auf. Der Film enthüllt, dass es einer relativ kleinen Gruppe von Interessenvertretern gelungen ist, die Wahrheit so zu manipulieren, um damit ihre eigenen Ziele zu erreichen, wenn sie eben genug Zeit, Geld und Macht einsetzen. Anhand von Interviews mit Wissenschaftlern, Aktivisten und Verbrauchern wird auch untersucht, welche verheerenden Auswirkungen diesen Manipulationen in der Real-Welt zukommen – so wohlmeinend sie auch ausgegeben werden.
Die meisten unserer Vorstellungen über Nikotin stammen aus den Anti-Tabak-Aufklärungsbemühungen, die in den 1980er Jahren initiiert wurden. Dank dieser Bemühungen findet heute keine Debatte mehr über die Schädlichkeit des Rauchens statt. Seither führt aber das mit diesem Makel assoziativ verknüpfte Nikotin zu dem Glauben, dass es eben das Nikotin sei, was süchtig macht und dass Nikotin Krebs verursacht. Solche Vorstellungen dämonisieren die Substanz und stigmatisieren deren Nutzer, ganz unabhängig davon, wie und warum sie Nikotin zu sich nehmen. Der Dokumentarfilm zeigt, dass diese Vorstellungen nicht nur falsch sind, sondern auch dem Einzelnen, der öffentlichen Gesundheit und der Wissenschaft schaden.
In einem faszinierenden Abschnitt des Films werden einige führende Experten aus der Nikotinforschung interviewt. Sie listen eine breite Palette von Krankheiten und Zuständen auf, die von Nikotin profitieren könnten: Tourette-Syndrom, Parkinson-Krankheit, ADHS, Down-Syndrom, Depressionen im fortgeschrittenen Alter und kognitiver Verfall bei älteren Menschen (eine Vorstufe der Alzheimer-Krankheit), um davon nur einige zu nennen.
Für viele sind die Vorteile von Nikotin aber noch subtiler, wie zum Beispiel für Menschen mit Aufmerksamkeits- oder Stimmungsstörungen und psychischen Erkrankungen. Es scheint ihrem Gehirn zu helfen, „sich gut zu fühlen und besser zu arbeiten“, wie es ein Experte ausdrückte.
Das könnte erklären, warum viele Raucher eine Gewöhnung entwickeln und Schwierigkeiten haben, mit dem Rauchen aufzuhören: nicht nur, weil sie hoffnungslos „süchtig“ sind, sondern weil sie einen echten, therapeutischen Nutzen von Nikotin erhalten. Aber trotz jahrzehntelanger Forschung daran wurde das vielversprechende therapeutische Potenzial von Nikotin wegen seiner untrennbar scheinenden Verbindung mit dem giftigen Zigarettenrauch vom Gesundheitswesen größtenteils negiert.
Unabhängig davon, ob medizinische Gesellschaften das nun akzeptieren, gibt es wahrscheinlich viele Menschen, die Nikotin als eine Art Selbstmedikation verwenden, wie Dr. David Abrams von der New York University (NYU) School of Global Public Health feststellt. Für die meisten bedeutet das aber Zigaretten zu Rauchen, eine Angewohnheit, die jedes Jahr weltweit Millionen von Menschen das Leben kostet.
Deshalb, so Abrams, sei es für die Wissenschaft wichtig, sicherere Wege einer Nikotinaufnahme zu finden. Früh forderte er als einer der ersten das Verbot von nikotinhaltigen Dampfprodukten ( „E-Zigaretten“). Heute aber glaubt Abrams dagegen, dass diese genau die Art sicherer Nikotinersatzprodukte sein könnten, die Leben derjenigen Raucher retten, sobald sie auf diese verbrennungsfreie Alternative umsteigen. „Die Wissenschaft hat sich in den letzten zwei oder drei Jahren unglaublich stark entwickelt, und es gibt jetzt einen Konsens darüber, also habe ich meine Meinung geändert„, sagte Abrams den Filmemachern.
Leider ist nicht jeder aus der akademischen Welt aber auch dem öffentlichen Gesundheitswesen dazu bereit, eigene Meinungen zeitgleich der aktuellen Wissenschaft anzupassen. Etliche versuchen sogar, solche Forschungen zu stoppen oder gar zu verhindern, dass resultierende Ergebnisse überhaupt anerkannt werden. So eine Art des Durchdrückens von Agenden und auch Unterdrückung nicht konformer Ansichten hat in der Wissenschaft keinen rechtmäßigen Platz, ist auf dem Gebiet der Nikotinforschung aber mittlerweile allgegenwärtig geworden.
In der gesamten Dokumentation werden Abschnitte aus dem Interview der Filmemacher mit Dr. Stanton Glantz, einer der einflussreichsten Anti-Tabak-Aktivisten gezeigt. Neuerdings auch gegen Nikotin wetternd, legt er dies stets sehr großzügig in seinem Sinne aus. Auf die Frage, ob Nikotin irgendwelche Vorteile hat, antwortet Glantz mit „Nein„. Auf die Frage, ob Nikotin in allen Formen genauso süchtig macht, lautet seine Antwort ebenso schlagfertig: „Ja.“ Aber all diese Antworten sind schlichtweg falsch, wie die Dokumentation überzeugend zeigt.
Die im Film befragten Experten, darunter auch Pioniere auf diesem Gebiet, haben nicht nur einen eindeutigen therapeutischen Nutzen hervorgehoben, sondern auch die Vorstellung in Frage gestellt, dass Nikotinaufnahme außer durch Zigaretten zur Gewöhnung führt. Dr. Neal Benowitz, Professor für Medizin an der Universität von Kalifornien in San Francisco, wird in der Dokumentation als „Großvater der Nikotinwissenschaft“ bezeichnet. Ihm zufolge hängt die Wirkung von Nikotin von der Art der Zufuhr ab.
Dr. Karl Fagerström (nach dem der Nikotinabhängigkeitstest benannt ist) merkte an, dass es sehr schwierig ist, Tiere in Experimenten dazu zu bringen, sich selbst Nikotin zu verabreichen. Er sagte, dass sie dazu unter erheblichen Stress gesetzt werden müssen, um es regelmäßig zu konsumieren. In der Zwischenzeit weist Dr. Paul Newhouse, der das Vanderbilt Center for Cognitive Medicine leitet und Nikotin seit den 1980er Jahren erforscht, humorvoll darauf hin, dass, wenn Nikotin von sich aus hochgradig süchtig machen würde, wir einen weit verbreiteten Missbrauch von Nikotinersatzprodukten wie Nikotinkaugummi, -pflaster oder -lutschtabletten sehen müssten. Sie seien rezeptfrei in jeder Drogerie des Landes erhältlich. Er merkte an, „die kauft niemand zum Spaß … und Kinder treiben auf dem Spielplatz keinen Handel mit Nikotinpflastern „.
Fagerström fügte hinzu, eine übermäßige Verwendung von Nikotinersatztherapeutika sei überhaupt nicht zu erkennen. Das viel größere Problem, welches Kliniker mit Menschen haben die damit das Rauchen aufhören, bestehe darin, die überhaupt dazu zu bringen, diese lange genug einzusetzen, damit sie überhaupt wirken.
Glantz ist überaus schnell dabei, alle diese Überlegungen und Beweise, die seinen Ideen widersprechen, und sogar Personen, die seine Ansichten nicht teilen, abzuwerten. Auf die Frage zu forschenden Kollegen aus England, die die E-Zigarette als das Mittel der Wahl zur Verringerung rauchbedingter Schäden weithin akzeptiert haben, beschrieb Glantz diese als „von Außerirdischen übernommen“. Wie Figuren in dem Film „Invasion der Körperfresser“.
Leider dominiert Glantz‘ Stil eines militanten Dogmatismus mittlerweile weithin die wissenschaftliche Auseinandersetzung über Nikotin. Infolgedessen unterlässt es die Wissenschaft, auf viele wichtige Fragen zum Thema Nikotin Antwort zu geben und verzichtet auf mögliche Lösungen, die Leben retten oder verbessern könnten. Als Dr. Newhouse zum Beispiel einige der Ergebnisse seiner langjährigen Studien mit Nikotin gegen Gedächtnisverlust anderen Experten vorstellte, einschließlich der Erkenntnis, dass Nikotin den Blutdruck zu senken schien, verweigerten sich diese, den Daten Glauben zu schenken, die einen offensichtlichen Nutzen von Nikotin zeigten, sagt er. Ein offensichtlich erschütterter Newhouse konnte nur antworten: „Sie können es glauben oder nicht, aber ich zeige Ihnen nur, wie die Daten tatsächlich sind.“
Der Dokumentarfilm liefert Erklärungen dafür, warum sich vorgeblich objektive Experten gegen Beweise wehren, dass Nikotin weniger schädlich ist als bisher angenommen. Dr. Abrams verweist auf das eigene Ego als eine Erklärung, das sei etwas, von dem er sagt, dass er immer noch sehr damit kämpft. „Es ist sehr schwer, seine Meinung zu ändern, wenn man 30 oder 40 Jahre lang an eine Reihe von Fakten geglaubt hat und stolz darauf ist, darauf basierende Empfehlungen abgegeben zu haben, und dann beginnt man, eine große Veränderung zu sehen„, sagte er. Abrams‘ Kollege an der NYU, Dr. Raymond Niaura, schloss sich dem an und merkte an, dass „es Teil der Selbstidentität und des Selbstwerts wird.“ Aber Niaura und andere Experten wiesen auf einen weiteren Faktor hin, der eine Rolle spielen könnte: ein tiefer und fast blindwütiger Hass auf Tabakfirmen.
Dr. Fagerström sieht vielmehr, dass der Wunsch, endlich Big Tobacco zu besiegen, die wissenschaftlich motivierte Bemühung, Menschen vor tabakbedingtem Tod und Krankheiten zu bewahren, gekapert hat. „Ich glaube, viele der Anti-Tabak-Leute kämpfen nicht gegen die schädlichen Auswirkungen des Rauchens. Es geht eher darum, die Tabakindustrie zu Fall zu bringen.“ Stanton Glantz gibt zu, dass es seine Motivation sei, die Tabakindustrie zu besiegen. „Wenn man zurückgeht und sich diesen Kampf ansieht, hat man diese reiche, mächtige und skrupellose Industrie – und eine relativ kleine zusammengewürfelte Gruppe von Rebellen hat sie zu Fall gebracht … wir gewinnen„, sagt Glantz und lacht. Aber Menschen auf der ganzen Welt rauchen immer noch, sie sterben immer noch, und die Tabakkonzerne scheffeln weiterhin Geld.
Was sich verändert hat, seit Glantz seinen Kampf in den 1970er Jahren begann, ist die Größe und der Umfang des Anti-Tabak-Aktivismus. So winzig er am Anfang auch gewesen sein mag, heute ist er eine globale Multi-Milliarden-Dollar-Industrie, die die Karrieren von Akademikern wie Glantz, ganzen Universitätsabteilungen, gemeinnützigen Organisationen und sogar Regierungsbehörden unterstützt. Und wie der Film in seinen fesselnden letzten Kapiteln enthüllt, es ist dieses Netz von miteinander verwobenen und finanziell abhängigen Interessen, das für die Schaffung falscher Narrative über Nikotin verantwortlich zeichnet.
Genau in einer Zeit, in der das Vertrauen in ein Gesundheits-Establishment wichtiger denn je geworden ist, zeichnet You Don’t Know Nicotine ein sehr beunruhigendes Bild von Institutionen, die eigentlich mit dem Schutz von Gesundheit, deren Sicherheit und Umgang mit wissenschaftlichen Fakten beauftragt sind – die aber mehr von Interessen beherrscht werden, die sich mehr damit beschäftigen, Kritiker gegenläufiger Meinung zu bekämpfen und vielmehr ihren Willen durchzusetzen, anstatt Lebensqualitäten zu verbessern oder gar Leben zu retten. Aber der Film gibt Hoffnung auf Veränderung, wenn die Menschen denn lernen, wieso und warum sie so wenig über Nikotin wissen. Wenn das geschieht, wird die Vorverurteilung des Nikotins aufhören. Dann kann Forschung beginnen, wichtige Fragen zu untersuchen, frei von Dogmen, und die Einflußreichen sollten damit anfangen, diese Evidenz anzuerkennen.
Wenn wir Nikotin, aber auch andere Substanzen, entstigmatisieren können, wird die Gesellschaft vielleicht aufhören, Nikotin und dessen Konsumenten aus einer Position der Angsteinflößung und Kontrollierzwang heraus zu behandeln, und stattdessen diesbezügliche Entscheidungen auf einer Grundlage von Mitgefühl und Respekt vor Rechten des Einzelnen treffen, der auf Basis von Informationen seine eigenen Entscheidungen zu Gesundheitsfragen trifft.
Und schließlich, wenn Menschen erkennen, wie sie bei Nikotin manipuliert wurden, werden sie vielleicht anfangen, von Behörden auch bei anderen gesundheitlich relevanten und wissenschaftlichen Themen weniger Trickserei, mehr Ehrlichkeit und echte Transparenz einzufordern.
Weiterführende Informationen
- [US] Filmprojektseite: https://knownicotine.com/
- [FR] Vapolitique: You Don’t Know Nicotine : un documentaire renverse les préjugés sur la nicotine
Quellen
- https://cei.org/blog/documentary-exposes-global-nicotine-misinformation-campaign/
- „You Don’t Know Nicotine“ + Bonus Content, Doku, Aaron Biebert, USA 2020, (en) Untertitel wählbar, Streaming on Demand (kostenpfl.)
https://watchibex.com/programs/ydkn
Ein Gedanke zu „[US] Ein Dokumentarfilm entlarvt: Eine globale Nikotin-Desinformationskampagne“
Gute Zusammenfassung!
Ich finde der Film lohnt sich – selbst wenn man das alles aus jahrelangen eigenen Recherchen schon weiß.