[DE] Udo Laschet – Dampfen – Was wollen Dampfer eigentlich?

Udo Laschet versucht zu ergründen, welche Rechte die Dampfer in Bezug auf freiheitliche Selbstbestimmung haben.

Für Nicht-Facebook-Benutzer hier das Vollzitat:

 

Dampfen – Was wollen Dampfer eigentlich?
 
UDO LASCHET·THURSDAY, 15 DECEMBER 2016

Erkärungsversuch: Über Schutzwürdigkeit und das Recht zur Selbstbestimmung

(UL, 15. Dezember 2016, sämtliche Bilder gemeinfrei) Es gibt Materien, die sind so trocken, dass man sich selbst ’nen kräftigen Schluck Sahara-Staub zum Nachspülen wünscht. Eine dieser Materien ist die rechtliche Beurteilung dessen, was all diejenigen möchten, die für sich die E-Zigarette entdeckt haben. Was? Das kann man doch nicht auf einen einzigen, gemeinsamen Nenner bringen? Doch, das kann man. Und der Gesetzgeber macht dies auch, zwangsläufig, denn “Dampfen” muss für jeden verständlich reguliert werden. Aber man muss vorher einige Dinge zum allgemeinen Verständnis erklären. Und da muss man durch, damit verständlich wird, welche Dinge Dampfer für sich in Anspruch nehmen können.

Über allem: Das Gesetz

Bisher existieren nach bundesdeutscher Gesetzeslage zwei gesetzliche Maßgaben (und natürlich einige Urteile mit „rechtsweisender Wirkung“), die direkt das Dampfen betreffen:
  1. Die besonderen Vorschriften zum Jugendschutz, und
  2. Die besonderen Vorschriften für das Konsumgut E-Zigarette.
 
Punkt 1 ist besonders für diesen Artikel interessant. Denn obwohl Dampfen per se ungefährlich sein könnte, wurde begründet, dass durch E-Zigaretten eine Gefährdung für Minderjährige ausginge. Hierdurch sieht der Gesetzgeber die besondere „Schutzwürdigkeit“ der Interessen heranwachsender Menschen möglicherweise beeinträchtigt. Und aus diesem Grund dürfen E-Zigaretten und ihre Nachfüllflüssigkeiten nicht mehr an Kinder und Jugendliche verkauft werden (§§ 1 Abs. 1 Ziffern 1, 2, 10 Abs. 4 JuSchG).

Was bedeutet nun der Begriff „Schutzwürdigkeit“?

Der Gesetzgeber und Jurist kennt eine „Schutzwürdigkeit“ für sehr, sehr viele Fälle; auch sind die juristischen Definitionen von „Schutzwürdigkeit“ im Einzelfall selbst noch ziemlich komplex. Und damit trockener als Sahara-Staub. Wenn zum Beispiel eine Person persönliche Interessen vertritt, die beeinträchtigt werden, muss haarklein dargelegt werden, welche Interessen die Person hat, und wie diese Interessen beeinträchtigt werden. Die persönlich beeinträchtigte „Schutzwürdigkeit“ kann grundsätzlich nur vor Gerichten beklagt werden. Und Richter entscheiden dann darüber, ob tatsächlich die “Schutzwürdigkeit” des Interesses der klagenden Person beeinträchtigt wird, oder nicht.
In Hinsicht auf den Jugendschutz erkennt bereits der Gesetzgeber die „Schutzwürdigkeit“ einer ganzen Personengruppe, die selber nicht “prozessfähig” ist: Dort, wo man es Personen unter 18 Jahren nicht zutraut, selbständige Entscheidungen zu treffen. Dies setzt nämlich voraus, dass sich eine Person entweder
  • ausreichend informieren oder bilden konnte, um eine geeignete Entscheidung zu treffen, oder
  • dass einer Person durch Lebenserfahrung unterstellbar ist, eine geeignete Entscheidung zu treffen.
Per Gesetz wird einer Person mit Eintritt in die Volljährigkeit (§ 2 BGB) grundsätzlich unterstellt, eine dieser beiden Voraussetzungen zu erfüllen. Die Person ist damit grundsätzlich im vollem Maße „uneingeschränkt geschäftsfähig“ (§§ 2, 104, 106, 107-113 BGB) und „prozessfähig“ (§ 51 ZPO). Sie bedarf damit grundsätzlich nicht der Zustimmung durch andere Personen, um ein „Geschäft“ vorzunehmen. „Geschäfte“ sind hierbei Handlungen, die durch Willenserklärungen vorgenommen werden. Soviel dazu – die Thematik selber ließe den Rahmen einer „Notiz“ sonst sprengen. Denn es gibt Ausnahmen, Ausnahmen von den Ausnahmen, und noch sehr viel mehr zu beachten. Hier kommt es erst einmal darauf an, dass der Begriff „Schutzwürdigkeit“ im Ansatz erklärt wurde. Und dass man weiß, dass Jeder irgendeinen Punkt hat, der „schutzwürdig“ sein kann.

Was tun Dampfer, und was wollen sie?

Daher soll jetzt darauf fokussiert werden, was Dampfer „eigentlich wollen„. Es gibt unheimlich viele Gründe für das Dampfen. Um nur einige „persönliche Gründe“ zu nennen:
  • Dampfen kann mehr Dampf produzieren als man Rauch beim Tabakrauchen produzieren kann,
  • Dampfgeräte lassen mehr Gestaltungsspielraum zu als Tabakzigaretten,
  • dampfen ist ein Ausdruck von Individualität,
  • man darf (noch) dampfen, wo man nicht mehr rauchen darf,
  • dampfen kann billiger sein als Rauchen,
  • dampfen kann aktiv weniger Schaden verursachen als Rauchen,
  • dampfen kann passiv einen gesundheitlichen Zustand verbessern,
  • dampfen kann besser schmecken als Rauchen,
  • dampfen kann für eine Person Ausdruck der „Selbstbestimmung“ sein ..
„Selbstbestimmung“. Hier wird’s spannend. Okay, dazu muss man wieder einen Ausflug in die Welt der Paragraphen machen. Auch wenn einem die Zunge bereits am Gaumen klebt. Doch diesmal lernt man die „Grundrechte“ jedes Menschen kennen, für den das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gilt. Grundrechte, die erst einmal ganz prima klingen, in der „Rechtsfolge“ jedoch teilweise Kaugummi-Charakter bekommen. Also mit anderen Worten „trocken“ und „zäh“, jedoch auch „nahezu beliebig dehnbar“ sein können.

Über dem Gesetz: Das Grundgesetz

Artikel 2 des Grundgesetzes (GG) sichert jeder Person „das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“ zu, „soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“ Als „verfassungsmäßige Ordnung“ sind hierbei die Gesetze zu verstehen, die nach dem Grundgesetz beschlossen werden, um eine Ordnung (des Staates) zu ermöglichen. Wunderbar. Als Dampfer verletzt man nicht die Rechte anderer … Könnte man so sagen. Wenn es nicht die mögliche Gesundheitsgefährdung gäbe, die wir Dampfer beim Besten Willen nicht erkennen können. Weil es sie nach Auslegung entsprechender Studien nicht gibt: Die Gefahr durch Passivdampf! Doch andere Institutionen sehen dass leider anders, und beschwören durch entsprechende Auslegung wieder anderer Studien (oder durch eine Herleitung und Falschinterpretation „unserer“ Studien) eine mögliche gesundheitliche Gefährdung von unbeteiligten nichtrauchenden Nichtdampfern. Damit könnte man seitens des Gesetzgebers zu der Feststellung kommen, dass ein Grundrecht von nichtrauchenden Nichtdampfern (das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 GG) beeinträchtigt würde.
 
Da Tabakraucher die Grundrechte anderer (auf körperliche Unversehrtheit) nicht beeinträchtigen durften, wurde das Bundes-Nichtraucherschutzgesetz beschlossen. Da nämlich aufgrund der Struktur des Bundesstaates das Thema „Gesundheit“ eine Sache seiner Bundesländer ist, mussten die Bundesländer dazu ermächtigt werden können, einen Handlungsspielraum für eigene Nichtraucherschutzgesetze zu haben. Nach dem Motto „Schlimmer geht immer“ können die Bundesländer im Rahmen des Bundes-Nichtrauchschutzgesetzes damit eigene Nichtraucherschutzgesetze beschließen, die Maßnahmen enthalten, durch die der Schutz der Nichtraucher vor dem Verhalten von Tabakrauchern gewährleistet bleibt. Es wird also nur vor dem Verhalten geschützt, denn Tabakraucher sind genauso sympathische Menschen wie Dampfer. Und wenn sie nicht gerade tabakrauchen, sind sie – so der Gesetzgeber – keine Gefahr für die Gesellschaft. Deshalb soll ein “allgemeines” Rauchverbot den Tabakrauchern erleichtern, zu wissen, wann sie wo rauchen dürfen. War doch jetzt nett formuliert, oder?
Trotzdem: Harter Tobak. Aber auch hier wird eindeutig die durch Grundrechte entstehende „Schutzwürdigkeit“ der Interessen einer Personengruppe per Gesetz definiert. Und die Personengruppe ist die der „Nichtraucher“. Wären Dampfer von einem Nichtdampferschutzgesetz betroffen, so müsste ein eigener Rechtsbegriff für die „beschützte“ Personengruppe gefunden werden, wie etwa „nichtrauchende Nichtdampfer“. Sonst könnte man ja meinen, auch Raucher müssten vor dem Dampf geschützt werden … Ach, alles Quatsch. Denn um die eigene „Schutzwürdigkeit“ zu behaupten, argumentieren vor allem Tabakraucher, und in zunehmendem Maße (leider) auch Dampfer, mit ihrem Grundrecht auf „Selbstschädigung und Selbstgefährdung“.

Welches Recht ist nun das (ge-)wichtigere?

Interessant dabei ist, dass sich dieses Grundrecht aus Artikel 1 GG, sowie auch aus Artikel 2 GG ableiten lässt. Es steht nur nicht direkt im Grundgesetz. Denn, wer es sich nicht nehmen lässt, zur Wahrung seiner Menschenwürde im Rahmen der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit sich selber zu schaden oder sich selber zu gefährden, der darf das. Es ist sein Grundrecht. Blöd nur, dass er damit immer noch nicht “das Rechtsgut” eines anderen beeinträchtigen darf. Platt ausgedrückt: Ein Selbstmörder darf vor seinem Selbstmord einen anderen Selbstmörder nicht vom Dach stoßen. Doch reicht das Grundrecht auf „Selbstschädigung und Selbstgefährdung“ bereits aus, um nach der „verfassungsmäßigen Ordnung“ straffrei zu bleiben. Aber nur, wenn man andere nicht gefährdet oder schädigt oder seine Rechte sonstwie einschränkt. Spürt man den Kaugummi schon?
Der Streit um das Nichtraucherschutzgesetz zeigt jedoch eines: Es gibt zwei Grundrechte, die miteinander im Widerstreit liegen. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit, und das Recht auf Selbstgefährdung. Doch kann zwangsläufig das eigene Recht auf „Selbstschädigung und Selbstgefährdung“ nicht stärker sein, als das Recht anderer auf „körperliche Unversehrtheit“. Es wird jedoch durch den Eingriff des Gesetzgebers die Frage aufgeworfen, wie sehr man das „Recht auf körperliche Unversehrtheit“ schützen muss, und ob es nicht in der Verantwortung eines jeden Individuums liegen sollte, dafür zu sorgen, dass andere nicht geschädigt werden.
Dass andere nicht geschädigt werden, ist somit das primäre, hauptrangige „schutzwürdige Interesse“. Es kommt vor dem Recht auf „Selbstgefährdung“. Und hier könnte der Durchschnittsdampfer den Spieß gegen den Gesetzgeber umdrehen, und sogar „freies Dampfen für alle“ fordern. Wie das geht?

Was geht vor? Zweirangiges Grundrecht oder Schutzwürdigkeit …

Wenn Dampfer erklären: „Wir haben ein Recht auf Śelbstgefährdung“ dürfen sie die Rechte anderer nicht einschränken. Der Gesetzgeber kann dann Gesetze beschließen, damit Dampfer nicht die Rechte anderer einschränken können. Dafür braucht der Gesetzgeber zwar Gründe, doch die liefern ihm sogenannte Ausschüsse, Gremien und Expertenmeinungen.
Wenn Dampfer jedoch wahrheitsgemäß erklären können:
  1. Wir fügen keinem Schaden zu, und
  2. Wir gefährden uns selber in einem Ausmaß, das keine Auswirkungen auf unsere Lebensführung hat (was so oder so straffrei bliebe), und
  3. Wir haben aufgrund von Punkt 1. und 2. ein „schutzwürdiges Interesse“, wie gewohnt weiterdampfen zu können (weil zweifelsfrei eine Schädigung nicht erfolgt), und
  4. Würde man uns dieses „schutzwürdige Interesse“ unbegründet einschränken, würde man gleichzeitig
  5. Tabakrauchern ihr Grundrecht auf eine geringere „Selbstschädigung und Selbstgefährdung“ einschränken (denn sie könnten ja dampfen), und
  6. Dampfern ihre Grundrechte nach den Artikel 1,2 GG einschränken, was vor dem Grundgesetz „unverhältnismäßig“ und ein „Übermaß“ sein könnte, und somit
  7. mehr als 30% der Bevölkerung unbegründet die „Schutzwürdigkeit ihrer Interessen“ vorenthalten.
Macht es gerade „klick“? Denn wer das Recht auf „Selbstgefährdung“ hat, hat selbstverständlich auch das Recht, zu entscheiden, wie weit er sich in Gefahr bringen will. Alles ist gut, so lange niemand anderer gefährdet oder geschädigt oder in seinen Rechten eingeschränkt ist. Und seit 2004 gibt es erstmals in der langen, langen Geschichte des Tabakrauchens die massentaugliche und erfolgsversprechende Möglichkeit, sich durch Dampfen womöglich „weniger zu gefährden“ (vielleicht ja auch sogar gar nicht), als durch „tabakrauchen“.
Man könnte ja nun argumentieren, dass das Recht auf eine „geringere Selbstgefährdung“ dadurch gewährleistet bliebe, dass es pharmazeutische Mittelchen gegen das Rauchen gibt. Doch es gibt das Dampfen nun einmal, das kann man nicht mehr leugnen. Und da das Dampfen nicht heilt, kann es auch nicht „medizinisch“ sein. Und hier sorgt bereits das geltende Arznei- und Heilmittelrecht dafür, dass „medizinisches Dampfen“ auch zeigen muss, dass es heilen können muss. Doch es gibt nur ein geringes pharmazeutisches Interesse, dies auch nachzuweisen, denn durch das Dampfen entstehen “nur nicht” die Nebenwirkungen des tabakrauchens . Womit bereits bewiesen wäre: Dampfen heilt nicht. Trotz allem wird durch Maßnahmen des Gesetzgebers das herkömmliche Konsumgut „E-Zigarette“ bereits dadurch eingeschränkt, dass es nicht mehr als „herkömmliches Konsumgut“ betrachtet werden kann. Jede weitere unbegründet bleibende Einschränkung steht somit im Konflikt mit der „Schutzwürdigkeit“ eines Rechtes auf Dampfen.
Denn:
„Unbegründet“ im rechtlichen Sinn bedeutet, dass es zwar Gründe geben mag, diese Gründe jedoch nicht zwangsläufig auch auf einen Sachverhalt anwendbar sind, oder einen Umstand rechtfertigen können. Denn dann sind Gründe “unbegründet”. Und Annahmen, Vermutungen sowie herleitender Konjunktivismus („… Es könnte sein, dass eventuell …“) sind per se und definitiv schon einmal keine Gründe.
Es bleibt also zu klären, oder sich der Gesetzgeber darüber im Klaren ist, dass durch jede weitere Einschränkung des Handels mit E-Zigaretten und Nachfüllflüssigkeiten die „Schutzwürdigkeit“ des Rechtes auf „Dampfen“ beeinträchtigt wird. Falls dem nicht so sein sollte, hätte der Durchschnittsdampfer, „Dualuser“ und „Tabakraucher mit Dampfmöglichkeit“ größeren Erfolg, beriefe man sich gemeinsam auf die „Schutzwürdigkeit“ eines Rechtes, anstatt auf zweitrangige „Selbstgefährdungsrechte“. Denn Selbstgefährdungsrechte rechtfertigen für den Gesetzgeber weitere Regelungen, die diejenigen schützen sollen, die sich nicht selber gefährden wollen.
Abschließend muss dennoch die Warnung ausgesprochen werden: „Recht“ wurde hier sehr vereinfacht dargestellt. Und um an “sein” Recht zu kommen, sollte man noch einige Dinge bedenken. Man wird zum einen nicht umhin kommen, sich als betroffene, jedoch nicht unerhebliche „Teilmenge“ der Gesellschaft zu betrachten. Tabakraucher und Dampfer können ihr „schutzwürdiges Interesse“ Dampfen nur gemeinsam erklären. Dies erfordert auf beiden Seiten jedoch eine gehörige Portion Toleranz. Die „missionierende“ Einstellung, und die „heilsbringende Identität“ einiger sakrosankter Dampfgruppen dürfte hierbei eher hinderlich sind. Ebenso hinderlich ist aber auch, dass Tabakraucher ständige Eingriffe in ihre Konsumgewohnheiten durch den Gesetzgeber tolerieren müssen. Dort muss klar werden: Irgendwann einmal wird die letzte offizielle Tabakzigarette geraucht sein. Denn das FCTC gilt. Und was dann?
Zum anderen wird die tatsächliche rechtliche Bewertung vollkommen unvermeidbar durch Staatsrechtler und „echte“ Juristen vorzunehmen sein. Und dieser Prozess dürfte sich noch länger hinziehen, als es ein Kaugummi ermöglichte. Vorausgesetzt jedoch, man erklärt seinen Willen erst einmal „in geeigneter Form“.

Quelle
https://www.facebook.com/notes/udo-laschet/dampfen-was-wollen-dampfer-eigentlich/1354441261256271

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